Beziehungsphasen – Die erste Peilung von Inka Steyn 9. Januar 2012 geschrieben von Inka Steyn Fachliche Beratung: NEIN © Vladimyr Adadurov - Fotolia.com Was tun bei akuter schwerer Verliebtheit? Von der ersten Peilung bis zur endgültigen Entscheidung. Unsere Tipps. Phase 1: Die erste Peilung Da hinten in der Ecke vor der alten Jukebox in Ihrer Stammkneipe steht sie. Langbeinig, rothaarig, ein entzückendes Grübchen im Kinn. Für einen kurzen Moment glaubten Sie schon zu wissen, dass Sie mit der Dame gerne vier Kinder, einen Volvo Kombi und ein freistehendes Einfamilienhaus hätten. Und das, obwohl Sie Ihren Kumpels bisher immer gepredigt haben, dass der Mann nicht für die Partnerschaft mit der Frau geschaffen wurde und Sie der geborene Lonesome Cowboy seien. Alles vergessen. Aber vergisst die Dame auch alles für Sie? Fakt ist: Schon nach 500stel einer Sekunde fängt der Mensch an, sich ein Urteil über den anderen zu bilden und spätestens nach den drei Sekunden, die während des ersten Anschauens verstreichen, ist er damit fertig. In diesen drei Sekunden fällt das Gehirn gnadenlos die Entscheidung zwischen den Kategorien „Interessant“ und „Indiskutabel“. Und bestimmt damit, ob es nach dem Blickkontakt eventuell noch weiteren Kontakt gibt. Wenn nun allerdings Ihre schöne Helena (Heike, Hildegard) Ihren Blick erwidert: zeigen Sie Zähne – ruhig ein wenig verlegen, mit geneigtem Kopf. Sie erröten leicht? Kein Problem. Frauen finden das charmant. Blinzelt sie dann ein zweites Mal und – ganz wichtig – lächelt : Gratulation, sie ist interessiert. Risiken: Der Blickkontakt scheitert – und damit die Beziehung bevor sie überhaupt begonnen hat. Chancen: Es steht (noch) nichts auf dem Spiel – also riskieren Sie alles: Lächeln Sie, was die Mundwinkel hergeben! Phase 2: Der erste Kontakt Der erste Satz, den Sie an Miss Wonderful richten könnte auch der letzte sein. Zumindest, wenn Ihnen nichts Besseres einfällt als „Bist du öfter hier?“ oder „So allein, schönes Kind?“ (hat noch nie funktioniert, außer bei Eastwood – im Film und vor dreißig Jahren). Dumm auch, wenn Sie Ihre Zähne nur zu besonderen Festtagen putzen und Ihr Gegenüber gezwungen ist, erst mal das Riechfläschchen hervorzukramen. Apropos Riechen: Ob Sie die Lady auch aus unmittelbarer Nähe noch sympathisch finden – und die Lady Sie -, hat auch mit den Pheromonen zu tun, den Sexuallockstoffen, die nicht nur locken, sondern auch signalisieren, ob Sie beide biologisch gesehen zusammenpassen. Im Klartext heißt das: Ob Ihrer beider Gene verschieden genug sind, um gesunde Nachkommen zu zeugen. (Brüderlein und Schwesterlein riechen auf Grund ihrer genetischen Ähnlichkeit darum auch besonders unsexy füreinander.) Pheromone hin oder her, beim ersten Kontakt sind noch ein paar andere Sachen von Bedeutung: Vielleicht quäkt Ihr potenzielles Begierdeobjekt ja wie Daisy Duck. Und das finden Sie so unerotisch, dass Sie die Sache mit dem Haus und den Kindern sofort wieder vergessen und sich bestenfalls noch eine wilde (stumme) Nacht vorstellen können, nach der Sie weiter als Lonesome Cowboy leben. Risiken: Die Optik stimmt, die Wellenlänge nicht. Und die Lebenssituation vielleicht auch nicht: Die Dame hat ja vielleicht schon Haus, Mann, Kombi und Kinder , wer weiß? Chancen: Ist der Kontakt erst mal hergestellt, ist die nächste Verabredung schnell eingefädelt. Phase 3: Die erste Droge Wer es ernst meint, springt nicht gleich in die Kiste, sondern entscheidet sich für den gemeinsamen Verzehr eines koffeinhaltigen Heißgetränks. Kaffee gilt nicht umsonst als vorzügliches Aphrodisiakum! Da kann man angenehm angeregt die in Phase 2 gewonnenen Erkenntnisse verifizieren und/oder vertiefen. Und Gemeinsamkeiten feststellen: Ah, das Mädel liebt Jazz, zum Beispiel. Dann werden weiterführende Verabredungen getroffen: Demnächst also in der Blue Note Bar. Wie viele Männer und Frauen sich zahlenmäßig exakt bei philosophisch-persönlichen Gesprächen über Espresso Macchiato in einer schummrigen Café-Ecke zu lange in die Augen geguckt haben, ist zwar statistisch (noch) nicht belegt. Ohne Zweifel gilt aber: Viele Paare verlieben sich genau jetzt, nach dem ersten Beschnuppern. Und das bedeutet Drogenrausch pur: Im Gehirn wird Phenylethylamin (kurz: PEA) in großer Menge ausgeschüttet. Dieses körpereigene Amphetamin erzeugt Schmetterlinge im Bauch, weiche Knie – und Sehnsucht nach dem anderen. Risiken: Sie trinken beide nur Tee. Chancen: Jetzt können Sie ganz in Ruhe redend abklopfen, ob Sie und die Umworbene genügend Gemeinsamkeiten haben. Rückzieher klappen noch ohne größeren Aufwand. Phase 4: Das erste Mal Meryl Streep Sie haben also schon einige Tagewerke eines Kaffeepflückers gemeinsam verzehrt, gerade sitzen Sie wieder vor der dampfenden Tasse, als sie mit leuchtenden Augen sagt: „Lass uns ins Kino gehen.“ Ein harmloser Vorschlag scheint’s. Aber eine Messerprobe für die Beziehung: Er würde gerne den neuen Vin Diesel-Streifen sehen, die Begleiterin schlägt ein Werk vor, das „Das Schweigen im Walde“ – oder so ähnlich – heißt. Meryl Streep oder Emma Thompson oder Jodie Foster spielt die Hauptrolle und das Plakat lässt ahnen, dass es sich um ein Drama handelt, in dem mehrere der Beteiligten an Leukämie sterben werden. Mit anderen Worten: Der Film interessiert Sie ähnlich brennend wie das Pekinger Telefonbuch. Wenn Sie aber auf dem Hau-Drauf-Opus bestehen, könnte es etwa sein, dass die Holde Sie für einen manierenlosen Macho hält. Also sitzen Sie schließlich vor einer Leinwand, auf der Frau Streep/Thompson/Foster Tränen des Leids vergießt. Egal, denn im Moment ist das Lichtspielhaus sowieso nur für eins gut: Zum Knutschen. Beim Küssen werden nämlich nicht nur unglaublich viele Bakterien ausgetauscht (sehen Sie’s positiv: stärkt das Immunsystem), sondern es kommt wieder mal zu einem hemmungslosen Austausch von Sexuallockstoffen, deren Drüsen besonders in der Lippenspalte unter der Nase zu finden sind. Ergebnis: Das Gehirn signalisiert den Wunsch nach mehr: Mehr Küssen, mehr Fummeln, mehr… Sie wissen schon! Risiken: Sperrt sich einer der Kinogänger bereits gegen diesen harmlosen Austausch von Körperflüssigkeit, bedeutet das, dass mit dem Abspann auch die Beziehung am Ende ist. Chancen: Wenn jetzt geküsst wird, gibt es die Option auf eine heiße Nacht. Phase 5: Das erste Mal Bocuse Es stimmt noch immer. Liebe geht durch den Magen. Für den anderen zu kochen, ist ein Verliebtheits-Geständnis. Das unterscheidet auch die Einladung ins Restaurant – und sei es noch so teuer – von der zum Menü bei sich zu Hause. Letzteres bedeutet Zeit und Mühe. Wirkliches Interesse enthüllt derjenige, der beste Zutaten für die geliebte Person auf dem Markt und in Delikatessenläden zu besorgen bereit ist, um sich anschließend stundenlang in die Küche zu stellen. Dabei kommt es nicht so sehr auf das Resultat an, als auf den guten Willen. Im Tierreich läutet das gegenseitige Füttern übrigens oftmals die Paarung ein, weil es signalisiert: Ich kann für Dich und potenzielle Nachkommen sorgen. Nicht anders kommt das Signal beim Menschen an, egal, ob er oder sie es aussendet. Ergo: Es wird ernst. Risiken: Wer sich bereits bei der Zubereitung simpler Nudeln darüber fetzt, ob die Zugabe zehn weiterer Knoblauchzehen den Geschmack der Tomatensoße noch weiter zu steigern vermag, wird möglicherweise auch nicht in der Lage sein, in wichtigen Lebensfragen (Kinder? Kombi? Kreta-Urlaub?) auf einen Nenner zu kommen. Chancen: Reißen Sie das Kochzepter an sich, verwenden Sie aphrodisierende Lebensmittel wie Spargel, Sellerie oder Spaghetti und Sie haben einen Stein im Brett – und im Bett – der Bekochten sicher. Phase 6: Das erste Mal Adam und Eva Haben sich die Partner nicht gerade am Ordinger FKK-Strand oder beim Nacktschwimmen im Mülheimer Stadtbad kennen gelernt, haben sie in der Regel den anderen bisher immer mit textilen Geweben sowohl über Problemzonen als auch über muskelgestählten Körperarealen erlebt. Das erste Mal nackt zu sein bedeutet viel mehr als das erste Mal Sex. Es markiert zwar meist a) gesteigertes sexuelles Interesse, aber auch b) einen Moment noch größerer Selbstzweifel und nagender Fragen (Sie: Wird er meine Cellulite erkennen – und mögen? Wann macht er endlich das Licht aus, damit ich wieder durch den Bauch atmen kann? Er: Groß genug? Lang genug? Dick genug?) Auch wenn die zwei nunmehr Nackten mit derlei Gedankengut vollauf beschäftigt sein könnten, hat die Dame häufig noch die Zeit, sich zu fragen, ob sie ihr Leben mit einem Kerl teilen möchte, der offenbar Unterhosenwechsel für Umweltverschmutzung hält. Währenddessen erörtert der Mann vielleicht, ob er die Süße später beiläufig darauf ansprechen kann, dass er Wildwuchs in subtropischen Klimazonen zwar gutheißt, in der Bikinizone des weiblichen Körpers aber eher ein Kahlschlagbefürworter ist. Noch entscheidender für die Beziehung allerdings kurz darauf, in welcher Weise die Körper zum Einsatz kommen. Risiken: Ist nach fünf Minuten alles vorbei, so ist das schlecht. Ebenso, wenn nach fünf Stunden bei ihr noch immer keine Erregung erkennbar ist – und Sie plötzlich merken, dass die Dame vor lauter Ausdauer Ihrerseits schon im Reich der Träume weilt. Chancen: Die Verkrampfung nimmt mit häufigem Üben ab. Falls es noch dazu kommt. Phase 7: Das erste Mal Krümel im Bett Ob Phase 6 für beide Parteien zufriedenstellend abgelaufen ist, erkennt man daran, ob Phase 7 überhaupt zustande kommt. Gehen wir nun einmal davon aus, beide Teilnehmer befinden sich noch am selben Ort wie am Abend zuvor. Wer bis jetzt alle oben angeführten Phasen durch- und mitgemacht hat, wird zwar den Partner nun nicht unbedingt zum ersten Mal bei Tageslicht erleben, möglicherweise aber zum ersten Mal ungeschminkt und mit schlechtem Atem. Ist das ohne Ohnmacht zu ertragen, so ist das Augenmerk nun darauf zu richten, ob die jeweiligen Morgenrituale – das Persönlichste, was ein Mensch überhaupt an Verhalten an den Tag legen kann, denn Frühmorgens greift noch keine gesellschaftliche Konvention – miteinander zu vereinen sind. Wo wir gerade davon sprechen: Beginnt der Tag wie er aufgehört hat – will sagen: mit Sex – können Sie sich auf die Schulter klopfen: die Angelegenheit läuft im richtigen Fahrwasser. Falls nicht, muss das allerdings nichts Schlimmes bedeuten. Risiken: Manche Paare entzweien sich nun über der Krümel-im-Bett-Frage, die eng verwandt ist mit der Muss-man-sich-vor–dem-Frühstück-duschen-Frage beziehungsweise der Sollte-der-Mensch-überhaupt-vor-zwölf-etwas-essen-Frage. Chancen: Das Zauberwort heißt Toleranz. Wecken Sie die Dame nicht gewaltsam, sondern üben Sie sich in Geduld und trinken Sie zur Not schon einmal alleine eine Tasse Tee. Denn: Fühlt sich der Mensch in seiner Morgengestaltung akzeptiert, steigt seine Kompromissbereitschaft in anderen Dingen. Und die wird bald nötig sein. Phase 8: Das erste Mal auf Korsika (oder doch in Kopenhagen?) Sie sind jetzt also zusammen. Haben Sex – und zwar in einer Weise, die man nicht nur bei gutem Willen als regelmäßig bezeichnen kann. Dann kommt unweigerlich der Tag, an dem Sie vielleicht gerade das Zigarillo danach genießen und – plötzlich – entdecken Sie Reisezeitschriften auf dem Nachttisch Ihrer Freundin. Während Sie sich noch fragen, wie die da hingekommen sein mögen, kuschelt Ihre Freundin sich an Ihre Brust und säuselt: „Guck doch da mal rein.“ Es ist soweit: Der erste paarweise Urlaub steht an. Die Crux: Manchmal ist das Paar danach leider keines mehr. Problematisch ist oft bereits die Auswahl des Zieles: Sie möchte eine Städtetour nach Kopenhagen machen, er würde lieber Schnorcheln auf Korsika. Ist das Paar schließlich in Korsika oder Kopenhagen eingetroffen, ist also schon mindestens einer der beiden einen Kompromiss eingegangen. Dann folgt die Zerreißprobe: Museumsgänger entdecken, dass sie – kulturell gesehen – mit einem Neandertaler zusammen sind, ambitionierte Sportler finden sich neben einer lahmen Socke wieder, die lieber im Bett faulenzt, als einen Tropfen Schweiß zu vergießen. Und passionierte Spaziergängerinnen werden fassungslos gewahr, dass ihr Kerl ein Liegestuhlfetischist ist, der um fünf Uhr aufsteht, um den Platz am Pool zu reservieren und vor hieraus resultierender Erschöpfung schon vormittags anfängt, Bier zu saufen. Risiken: Wochenlang alle Stunden des Tages miteinander zu verbringen, legt – siehe oben – sämtliche Schattenseiten der Persönlichkeit bloß. Chancen: Wer nach dem ersten Urlaub noch miteinander schläft und spricht, weiß, dass er sich wirklich liebt. Phase 9: Der erste Hot Dog bei Ikea Ganz zufällig, es ist Samstag, Sie waren gerade mit Ihrem Schatz in einem an die Stadt grenzenden Naherholungsgebiet so genannte „frische Luft“ atmen, kommen Sie an einem Gebäude vorbei, das leuchtend blau gestrichen ist und auf dem vier gelbe Buchstaben prangen. Und derjenige von Ihnen beiden, der gerade am Steuer sitzt, lenkt das Fahrzeug wie ferngesteuert auf den Parkplatz und formuliert Folgendes: „Ich hab‘ gerade richtig Lust auf so einen Ikea-Hot Dog.“ Und nach einer kurzen Pause: „Und man kann ja mal sehen, was die gerade so im Angebot haben.“ Haben Sie bisher nur relativ unverbindlich übers Zusammenziehen gesprochen, so leitet dieses Ritual die Nestbau-Phase ein, in der die Samstagvormittage nicht mehr zum Spaziergang im Grünen, sondern zum Studieren des Immobilienteils der Zeitung genutzt werden. Anschließend: Siehe oben. Doch jetzt laufen Sie erst einmal durch voll möblierte Gänge und entscheiden insgeheim, dass Sie die Küche „Lösjö“ irgendwie am hübschesten finden, auch wenn Sie das aus Angst vor Konsequenzen nicht erwähnen. Dann stehen Sie mit Ihrem Liebling an einem Plastikstehtisch (Name des Tischs: „Stehröm“) und verzehren ein Fleischereierzeugnis im Brötchen, das Sie soeben selbst mit Remoulade, Röstzwiebeln, Gurke und Ketchup belegt haben – und erzählen die Sache mit der Küche doch. Betrachten Sie ihre Beziehung spätestens von diesem Zeitpunkt an als gefestigt. Risiken: Die Rückgabefrist bei Nichtgefallen ist, was die Dame betrifft, nun abgelaufen. Chancen: Ihre Rückgabefrist ebenfalls. Phase 10: Das erste Mal denken: Sollte ich je heiraten, dann sie/ihn Sie sind nun bereits eine Weile zusammen, sagen wir, vier Jahre. Dann lässt nämlich die Wirkung des PEA-Verliebtheits-Hormons langsam nach – und wird durch körpereigene Opiate, auch als Endorphine bekannt, ersetzt. Die erzeugen ein Gefühl von warmer Zuneigung, Geborgenheit und Sicherheit. Stellen Sie sich nun vor, es ist Morgen, die Sonne scheint ins Zimmer und Ihre Partnerin schläft noch. Aber wie! Unglaublich zauberhaft ist das Gesicht zerknautscht, weil sie auf dem Bauch liegt. Der Atem geht friedlich wie der eines Babys – ja, wahrscheinlich würde unser Baby so ähnlich im Schlaf aussehen. Bevor Sie sich noch ordentlich über das erschrecken können, was Sie gerade gedacht haben, schlägt Ihr Schatzi die Augen auf – und was für Augen! – und lächelt. Und Ihr Herz platzt fast vor Liebe. Und dann denken Sie: Sollte ich jemals heiraten, vier Kinder, einen Volvo Kombi und ein frei stehendendes Einfamilienhaus haben – dann wirklich nur mit diesem Menschen. Damit wären wir wieder am Anfang, mit dem Unterschied, dass ein vager Gedanke durch Gewissheit ersetzt wurde. Sie haben die Unwägbarkeiten einer noch frischen Beziehung erfolgreich umschifft – und können sich fortan aufs Wesentliche konzentrieren. Risiken: Hochzeit, Kinder, Schwiegereltern. Chancen: Hochzeit, Kinder, Schwiegereltern, Erbschaft. 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