Beschneidung – Operation Vorhaut von menscore 13. Januar 2012 geschrieben von menscore Fachliche Beratung: Ärztliche Redaktion © timsaxonphoto - Fotolia.com Ist die Beschneidung das letzte Abenteuer für den Mann oder ein Klassiker unter den medizinischen Irrtümern? Hier lesen Sie, wann eine Beschneidung sinnvoll ist und wie sie durchgeführt wird. Außerdem: die Wiederherstellung der Vorhaut. Die Beschneidung, klinisch: Zirkumzision, hat eine lange Tradition. Schon im alten Ägypten wurde die männliche Vorhaut entfernt. In der jüdischen und moslemischen Religion ist der Eingriff noch heute ein fester Bestandteil des Glaubens. In den USA ist die Entfernung der Vorhaut erst seit 1870 gängige Praxis. Damals glaubte ein gewisser Dr. Lewis Sayre einen fünfjährigen Jungen mittels Beschneidung von einer Lähmung geheilt zu haben und predigte fortan landesweit mit missionarischem Eifer deren Vorzüge. Später wurde die Vorhautamputation mit der «Heilung» von Masturbationsgelüsten begründet. Die Angaben zum Anteil der Beschneidungen in Deutschland variieren je nach Quelle stark und liegen dabei meist zwischen fünf und zehn Prozent, genaue Statistiken existieren jedoch nicht. Schutz vor Krankheiten? Noch heute ist die Beschneidung von männlichen Babys in Nordamerika populär, bis zu 85 Prozent der US-Männer sind beschnitten. Der Eingriff wird meist mit besserer Hygiene und dem Schutz vor Infektionen begründet. Vermutlich zu Unrecht: Zwar können Talg, Urin und abgestoßene Hautzellen unter der Vorhaut zu einer übel riechenden, weißlichen Masse namens Smegma zusammenklumpen, die im Ruf steht, Penis- und Gebärmutterhalskrebs zu begünstigen. Um dem vorzubeugen, bedarf es jedoch keiner Entfernung der Vorhaut – gründliches Duschen reicht völlig aus. „Wer sich gründlich genug pflegt, braucht vor Smegma und den Risiken, die damit zusammenhängen können, keine Angst zu haben“, erklärt Frank Tschuschke, deutscher Vertreter der US-Anti-Beschneidungsorganisation National Organization of Circumcision Information Resource Center (NOCIRC). Auch das angeblich erhöhte Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten bei Vorhaut-Trägern ist umstritten: So ergab zwar 1998 eine Studie, die im „Journal of the American Medical Association“ veröffentlicht wurde, tatsächlich eine geringere Häufigkeit von Syphilis und HIV bei Beschnittenen. Dafür war bei ihnen die Zahl der Fälle von Herpes, Hepatitis und Chlamydien höher. Insgesamt ergab sich „kein Beweis für eine vorbeugende Rolle der Beschneidung“, so die Forscher. Neuere diesbezügliche Studien gibt es nicht. Quotenregelung In den USA sind knapp 85 Prozent aller Männer beschnitten, in Deutschland maximal zehn Prozent. Mehr Spaß am Sex? Männer, die sich freiwillig beschneiden lassen wollen, haben die unterschiedlichsten Motive: Die einen versprechen sich einen neuen sexuellen Kick, weil die Eichel plötzlich ungeschützt zugänglich ist. Andere setzen genau auf den gegenteiligen Effekt: Da man mit der Zeit automatisch unempfindlicher gegen Reizungen der Eichel wird, kann das beim Sex durchaus die Folge haben, dass man länger braucht, um zum Orgasmus zu kommen. In jedem Fall sind Beschnittene oft die wagemutigeren Liebhaber, berichtet der US-Sexforscher Dr. Edward Lauman von der Universität Chicago. Er leitete eine Studie mit 1400 Männern, die ergab, dass 61 Prozent der nicht Beschnittenen Erfahrungen mit Oralsex hatten, während die Träger freier Eicheln immerhin zu 81 Prozent auf den Geschmack gekommen waren. Sie übten auch eine größere Zahl sexueller Praktiken aus. Dadurch, so erklärt Lauman, verschaffen sie sich neue Stimulationen und kompensieren den Nachteil, dass ein beschnittener Penis weniger sensibel reagiert. „Einzig wagemutig ist diese Aussage von Laumann“, sagt Tschuschke, „Es ist nämlich fraglich, ob die größere Oralsexerfahrung beschnittener Männer wie unterstellt auf deren „Mut“ oder eher auf einschlägige Vorlieben der Partnerinnen zurückzuführen ist. Es ist schließlich bekannt, dass eine erhebliche Anzahl amerikanischer Frauen einen beschnittenen Penis bevorzugen, weil sie gar keine Erfahrungen mit unbeschnittenen Männern haben und daher auch Vorurteile hinsichtlich Hygiene oder „Appetitlichkeit“ und Ästhetik hegen“, so Tschuschke weiter. Nicht nur Vorteile: Doch wenn sich ein Erwachsener sexuelle Vorteile von einer Beschneidung verspricht, sollte „er sich vor diesem Schritt gründlich informieren. Nur unseriöse Zeitgenossen vermitteln den Eindruck, dass eine Beschneidung keinerlei Risiken birgt und ausschließlich sensationelle Vorteile bringt“, warnt Experte Tschuschke aus Langenfeld. Denn die Vorhaut ist eine wichtige erogene Zone des Mannes: Immerhin etwa 80 Meter Nerven und rund 20.000 Nervenenden stecken in den gut 75 Quadratzentimetern Vorhaut eines erwachsenen Mannes. So oder so: Nach einer Vorhautentfernung ist Sex nie wieder so, wie er war. Auch das Onanieren geht bei einigen nicht immer so wie früher. Eine warme, weiche Hülle Die Vorhaut ist – ähnlich wie das Augenlid – ein zweilagiges Organ, welches sich um die Öffnung des Penis, den Ausgang der Harnröhre, legt. Aufgabe der Vorhaut ist es, die Eichel vor Reibung und Infektionen zu schützen. Ihre Oberfläche von rund 75 Quadratzentimetern stellt gut ein Drittel der gesamten Penishaut dar. Auf der Innenseite besteht die Vorhaut aus einer weichen Schleimhaut, die antivirale und antibakterielle Substanzen, das so genannte Smegma, absondert, um der Eichel weiteren Schutz zu bieten. Weil die Eichel von dieser feuchten Hülle umgeben ist, behält sie ihre Empfindlichkeit. Beim Sex gleitet die Vorhaut über die Eichel und den Penisschaft und sorgt für Gleitfähigkeit und Stimulation. Wer von einer Beschneidung profitiert Wenn bei Männern die Vorhaut zu eng ist (medizinisch: Phimose), ist eine Beschneidung durchaus zu erwägen. Vor allem Diabetiker neigen zu häufigen Entzündungen an Vorhaut und Eichel. Bei anderen Männern schrumpft die Vorhaut, Mediziner sprechen von einem Lichen sclerosus. Oft macht sich das Problem nur bei einer Erektion bemerkbar: Es gibt sehr viele Männer, die eine so genannte relative Vorhautenge haben: Wenn der Penis nicht steif ist, kann man die Vorhaut zurückziehen. Bei einer Erektion lässt sie sich jedoch nur noch mit großen Schwierigkeiten und Schmerzen bewegen. Ein Prozess, der sich selbst verstärkt: Wird die Vorhaut mit Gewalt zurückgezogen oder beim Sex überdehnt, können sich auf der Innenseite Risse bilden. Bei der Heilung entstehen Narben, die das Gewebe weiter zusammenziehen – die Vorhaut wird immer enger. „Bei beiden Problemen verhindert eine Beschneidung oft gefährliche Folgen“, sagt Professor Hartmut Porst, Urologe aus Hamburg. Doch obwohl Beschneidungen zu den Routinebehandlungen vieler Urologen gehören, sind sie für den deutschen Mann keine Alltäglichkeit. „Die meisten hängen an ihrer Vorhaut“, so Porst, „selbst wenn medizinische Gründe vorliegen“. Was jedoch regelmäßig auch oder gerade von Urologen verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass es auch konservative Behandlungsmethoden z.B. bei einer Phimose gibt, die eine Beschneidung überflüssig machen können. Ohne Narkose: Unnötige Qual für Mini-Männer? Auf eine Narkose während der Säuglingsbeschneidung wurde in den USA aus „pädagogischen“ Gründen lange Zeit verzichtet, auf der irrigen Annahme basierend, dass Neugeborene noch nicht über ein ausgeprägtes Schmerzempfinden verfügen würden. Heute zeigen immer mehr Studien, dass die kleinen Patienten beim Eingriff starke Schmerzen erleiden. Oft sind die Schmerzen so stark, dass die Neugeborenen in einer Art Schock plötzlich ruhig werden und aufhören, sich zu wehren. Erst seit wenigen Jahren wird der Einsatz von Schmerzmitteln von Fachleuten überhaupt genauer erforscht, gefordert und durchgeführt. Die Zurückhaltung wurde und wird auch mit den Gefahren begründet, die potente Schmerzmittel für ein Eintags-Neugeborenes bedeuten können. Doch mittlerweile liegen Studien vor, wonach eine einfache Zuckerlösung – per Saugflasche verabreicht – allen pharmakologischen Betäubungsverfahren (Salben, Spritzen, Vollnarkose) sogar überlegen ist. Ein garantiert ungefährliches süßes Fläschchen könnte die Mini-Männer also davor bewahren, schon am ersten Tag außerhalb des Mutterleibs den ersten großen Schmerz ihres Lebens zu erfahren. Bei Babys sind Vorhautverengungen normal Bei Säuglingen sind Unregelmäßigkeiten an der Vorhaut kein Grund zur Sorge. In einer japanischen Studie heißt es, es kämen bis zu 90 Prozent aller Neugeborenen mit einer Phimose zur Welt. „Hierbei handelt es sich jedoch um einen weitverbreiteten Irrtum. Bei Neugeborenen ist die Vorhaut häufig noch fest mit der Eichel verbunden, um das Eindringen von Fäkalien und Bakterien zu verhindern. Diese Verbindung – auch Konglutination genannt – wird auch heute noch als Phimose bzw. Adhäsion fehlinterpretiert. Die Konglutination löst sich mit der Zeit von selber auf und kann ggf. durch die Verwendung von Kortison haltigen Salben beschleunigt werden“, so Frank Tschuschke. In einer dänischen Studie von 1968 haben Forscher ermittelt, ab welchem Alter bei Kindern/Jugendlichen die Vorhaut ohne medizinische „Nachhilfe“ frei zurückstreifbar war. Das Ergebnis: 6-8 Jahre 28% 8-9 Jahre 34% 10-11 Jahre 44% 12-13 Jahre 60% 14-15 Jahre 75% 16-17 Jahre 95% Ärzte raten meist dazu, eine Beschneidung nicht vor dem dritten Lebensjahr durchzuführen. „Diese Aussage beruht auf der Annahme, dass die Vorhaut bei Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr frei zurückstreifbar sein müsse, andernfalls bestünde Handlungsbedarf“, so Tschuschke. „Wie jedoch die dänische Studie zeigt, kann dieser Vorgang teilweise auch erst nach der Pubertät abgeschlossen sein.“ Es gibt unblutige Alternativen Eine Beschneidung ist jedoch nicht die einzige Lösung, wenn die Vorhaut klemmt: „In sehr vielen Fällen erreicht man mit entzündungshemmenden Salben oder Kortison- sowie evtl Östrogensalben die Lösung der Vorhaut von der Eichel und auch eine Weitung der Vorhaut“, sagt Professor Porst aus Hamburg, „dann ist eine Beschneidung natürlich überflüssig.“ Wie eine Beschneidung abläuft Der folgenschwere Schnitt wird in verschiedenen Techniken durchgeführt: Wird bei einer Knabenbeschneidung die Vorhaut in die Länge gezogen und oberhalb der Eichel abgetrennt, hat sich bei erwachsenen Patienten die plastische Vorhautentfernung als medizinischer Standard durchgesetzt. Die Vorhaut wird dazu zurückgezogen und an der bisherigen Kante ringförmig aufgetrennt. Nach einem zweiten Schnitt unterhalb der Eichelfurche wird der entstehende Hautstreifen entfernt. Anschließend werden die beiden Ränder miteinander vernäht. Der ehemalige Rand der Vorhaut, der sich vor der Eichel befand, liegt nun direkt unter ihr, die Naht bleibt unsichtbar. Deshalb ist diese plastische Zirkumzision dem gängigen Verfahren der Beschneidung von Säuglingen auch deutlich überlegen: Dabei wird die Vorhaut einfach in die Länge gezogen und oberhalb der Eichel abgeschnitten. Wird jedoch zu viel Haut entfernt, liegt die ehemalige Innenseite der Vorhaut außen und ist etwas heller und zarter als die Haut am Penisschaft. Mitunter wird dabei sogar so viel Vorhaut entfernt, dass der verbleibende Rest bei einer Erektion nicht mehr vom Penisschaft über die Eichel geschoben werden kann. Was nach der Operation passiert Kein Vergnügen sind vor allem die ersten zwei Wochen nach dem Eingriff. Zum Nähen wird zwar selbst auflösender Faden verwendet, sodass das Fädenziehen entfällt. Weil die Wunde jedoch in den ersten Tagen sehr schmerzempfindlich ist, ist eine Erektion unerwünscht. Am einfachsten zu vermeiden ist die morgendliche Wasserlatte: Man stellt einen Wecker auf vier Uhr, leert die Harnblase zwischendurch und verhindert so ein schmerzhaftes Erwachen. Das Ergebnis der Operation ist jedoch nicht in Gefahr: „Ist die Naht sauber ausgeführt worden und der Penis gut gewickelt, stellt eine unwillkürliche Erektion kein Problem dar“, sagt der Hamburger Urologe Professor Hartmut Porst. Und im Notfall kann der Arzt sogar erektionsunterdrückende Mittel einsetzen. Allerdings kommt es in rund fünf Prozent aller Fälle zum Nachbluten. „Eventuell muss dann noch eine Naht gesetzt werden“, erklärt Porst. Das größte Problem ist die bis zu zwei Monate anhaltende Überempfindlichkeit der Eichel. Wenige Tage nach der Operation wird der Verband entfernt, und betroffene Patienten würden sofort den Weichspüler erfinden, wenn es ihn noch nicht gäbe: Die Haut auf der Eichel wird nur langsam dicker und unempfindlicher gegen schmerzhafte Reize rauer Baumwollunterhosen. Was kostet der «Spaß»? Nur wenn der etwa halbstündige Eingriff (der in örtlicher Betäubung durchgeführt werden kann) medizinisch notwendig ist, wird er von der Krankenkasse übernommen. Andernfalls werden zwischen 200 und 700 Euro fällig. Preisvergleiche können sich also lohnen. Doch klar ist: Wenn Sie hier sparen, dann möglicherweise buchstäblich am falschen Ende. Auf jeden Fall sollte es sich um einen Mediziner Ihres Vertrauens handeln. Und auch wenn Sie sich bereits dafür entschieden haben, sollten Sie vorher mit Ihrem Urologen ein ausführliches Gespräch führen. Hilfe, ich will meine Vorhaut wiederhaben! Die Einwilligung zur Beschneidung will in jedem Fall reiflich überlegt sein, denn eine operative Wiederherstellung der Vorhaut ist nicht möglich. Haben Sie Ihre Entscheidung längst bereut oder sind unzufrieden, weil Sie schon als Säugling oder im Knabenalter beschnitten wurden, ohne gefragt zu werden, hilft nur ein äußerst langwieriger Dehnungsprozess: „Die Haut am Penisschaft ist beweglich», erklärt Frank Tschuschke das Verfahren, „man beginnt mit der Wiederherstellung, indem man die Schafthaut bzw. Restvorhaut in Richtung Eichel zieht und mit Pflastern fixiert. „Später kommen Plastikringe, Kappen, Gewichte und sogar Extender hinzu. Bis zur vollständigen Bedeckung der Vorhaut können «Wochen, Monate oder auch Jahre vergehen, je nach Grad der Beschneidung und Konsequenz mit der der Wiederherstellungsprozess angegangen wird“, so Tschuschke, der auch der deutsche Koordinator von „NORM“ (National Organisation of Restoring Men) ist. Triebkraft für dieses selbst erwählte Martyrium ist vielfach die Hoffnung auf eine wiederhergestellte sexuelle Reizbarkeit. Die rund 20.000 Nervenenden der natürlichen Vorhaut sind zwar für immer verloren. Aber durch die gedehnte Ersatzhülle um die Eichel wird diese wieder empfänglicher für äußere Reize. Sex kann also wieder mehr Spaß machen. Sollte die Dehnungsmethode scheitern, bleibt als letzter Ausweg die plastische Chirurgie, wobei entweder ein Vorhautersatz – vornehmlich aus der Haut vom Hodensack – angenäht wird, oder aus der vorhandenen Schafthaut eine neue Vorhaut modelliert wird. Welches Verfahren möglich ist und letztendlich zur Anwendung kommt, hängt im Wesentlichen vom Grad der Beschneidung und der Beschaffenheit der Schafthaut ab. BeschneidungPhimoseVorhaut vorheriger Beitrag Iss dich scharf nächster Beitrag Beschneidung – die Alternativen